1904 bis 1933 – Vom automobilen Traum zur Volkswagen-Idee
Automobile stellten zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter den Fortbewegungsmitteln noch die große Ausnahme dar. Kaum 16.000 Automobile gab es 1910 im Deutschen Reich. Den einen diente es als abenteuerliches Sportgerät, anderen zu Repräsentationszwecken. Autos blieben den Schönen und Reichen vorbehalten: Kaiser Wilhelm II. nutzte ebenso wie Stahlmagnaten und Bankiers handgefertigte Automobile von Benz, Daimler oder Glaser. Eine Vielzahl von Automobilmarken belieferte einen sehr überschaubaren Luxusmarkt.
Doch bereits im Dezember 1904 stellte der Aachener Ingenieur Heinrich Dechamps in der Wiener Zeitschrift Der Motorwagen die Frage, ob weiterhin das Motorrad oder doch eine „andere Fahrzeugtype“ das Zeug hätte, „Volksautomobil“ zu werden. Denn der Traum individueller Automobilität erfasste neue Gruppen. Dem in den USA entstehenden Massenmarkt für Automobile kam dabei eine Vorbildfunktion zu. 1908 startete dort bei der Ford Motor Company die Fertigung des robusten Modell T, das anfangs für 825 $ angeboten wurde. Durch Fließbandfertigung und Großserienfabrikation reduzierte sich der Preis bis 1920 auf 450 $, wodurch immer neue Bevölkerungsgruppen zu Automobilbesitzern wurden. Innerhalb eines Jahrzehnts wandelten sich die USA zu einer automobilen Gesellschaft.
Auch in Deutschland, wo die Automobilität vor dem Ersten Weltkrieg den an gewachsener Kraft und Schnelligkeit interessierten Eliten vorbehalten blieb, richtete sich die Aufmerksamkeit nunmehr auf Kleinwagen. Der erstmals 1909 von Opel für 3.950 Mark angebotene offene „Doktorwagen“ für zwei Personen fand wegen seiner Wendigkeit und Bedienerfreundlichkeit immerhin in einer Größenordnung von jährlich knapp 800 Fahrzeugen Abnehmer. 1912 bezeichnete das Unternehmen den Wagen als „Volksautomobil“. Das Chemnitzer Automobilunternehmen Wanderer brachte 1913 seinen zweisitzigen Typ W 3 heraus, ohne dass die Fahrzeuge mehr als einen Achtungserfolg verbuchen konnten. Der Erste Weltkrieg unterbrach die weitere Entwicklung.
Während 1919 in Frankreich Citroën eine neue Fabrik mit einer Tageskapazität von 100 Fahrzeugen mit Fließbändern ausstattete, blieben Automobile in Deutschland weiterhin ein Luxusgut. Daran änderten auch die von 1924/25 an bei Opel in Rüsselsheim und bei Hanomag in Hannover vom Band laufenden Fahrzeuge noch nichts Grundlegendes. Denn hinsichtlich der Automobildichte klaffte gegenüber Frankreich und Großbritannien und erst recht gegenüber den USA eine immense Lücke. Die Kleinwagen von Opel und Hanomag erhielten auch wegen ihres Preises von 2.950 bzw. 1.995 Reichsmark aber bereits die Bezeichnung „Volkswagen“.
Die Idee eines Autos für breite Bevölkerungskreise regte Konstrukteure zu technischen Innovationen an. Der aus Ungarn stammende Béla Barényi, der sich später durch Verbesserungen der Fahrzeugsicherheit auszeichnete, skizzierte 1925 als 18-jähriger Technikumsschüler einen „Fahrgestell-Entwurf für einen Volkswagen“, der im Heck einen Boxermotor vorsah und das Getriebe vor der Hinterachse positionierte. Der ebenfalls aus Ungarn stammende Motorjournalist und Konstrukteur Josef Ganz setzte sich seit Mitte der 1920er Jahre publizistisch für die Volkswagen Idee ein und trat mit Prototypen von Kleinstwagen in Gemischtbauweise hervor. Im tschechischen Nesselsdorf entwickelte der in Klosterneuburg bei Wien geborene Ingenieur Hans Ledwinka den Tatra 11, der erstmals über einen Zentralrohrrahmen, eine Pendelachse und einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotor verfügte.
Auch Ferdinand Porsche interessierte sich schon früh für Kleinwagen. Der bei Steyr 1922 konstruierte „Sascha“-Leichtbauwagen mit einem 45 PS leistenden Vierzylindermotor mit 1,1 Litern Hubraum ging nicht in die Serienproduktion. 1931 entwickelte der inzwischen als freier Konstrukteur in Stuttgart tätige Porsche im Auftrag des Motorradherstellers Zündapp einen „Qualitäts-Kleinwagen für jedermann“. Der bei Porsche intern als Typ 12 bezeichnete Zweitürer verfügte über vier Sitzplätze. Der 1933 für die NSU Vereinigte Fahrzeugwerke konstruierte Typ 32 war mit Drehstabfederung und einem luftgekühlten Vierzylinder-Boxermotor im Heck ausgestattet. Die befürchtet hohen Herstell- und Investitionskosten verhinderten inmitten der Weltwirtschaftskrise bei den beiden Zweiradherstellern den Übergang zur Automobilfertigung.
Die Suche nach geeigneten technischen Lösungen für Kleinwagen war Anfang der 1930er Jahre in vollem Gange. Die öffentliche Aufmerksamkeit für die Gattung der preiswerten Volkswagen senkte aber noch nicht die hohen Haltungskosten, die einem Massenabsatz von Automobilen im Wege standen. Indem der neu ernannte Reichskanzler Adolf Hitler gleich im Februar 1933 auf der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin die staatliche Förderung der Motorisierung und der Automobilindustrie ankündigte, griff er nicht nur eine industriepolitische Stimmung zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf, sondern machte die Breitenmotorisierung zum sozialutopischen Regierungsprogramm.